Wolsztyn
Wolsztyn
Hallo zusammen,
da will ich mal zum Thema Bw Wolsztyn einen neuen Thread eröffnen. Für alle, die es nicht wissen sollten, Wolsztyn ist eine Kleinstadt mit knapp 15.000 Einwohnern etwa 70 km südwestlich von Posen. Einst ein recht bedeutender Eisenbahnknoten mit eingleisigen Strecken in 5 verschiedene Richtungen und einem Bahnbetriebswerk, in dem bis zu 30 Lokomotiven beheimatet gewesen sein sollen. Mein Kumpel Torsten wollte mich schon Mitte der 90er zu einer Fahrt dahin überreden, aber mir fehlte der Antrieb. Die Polenloks mit ihren rieseigen Scheinwerfern, und überhaupt die Polen…, falsche Klischees!
Nachdem ich mir also Reiseberichte von mehrstündigem abendlichen Rangierbetrieb mit Abstoßen durch Ty 2, Ty 42 (ex BR 52) und Ty 45 anhören musste, habe ich mich Ende 1999 doch erstmals zu einer Fahrt dahin überreden lassen. Endlich, kann ich nur sagen, Atmosphäre pur, keine Diesellok im Bw, eine Reise in die Vergangenheit! Geschlafen wurde für etwa 5.- Mark die Nacht im Bw in der ehemaligen Lokführerübernachtung, Blick auf die Bekohlungsanlage und die Drehscheibe… An das ungewohnte Aussehen der Loks hat man sich rasch gewöhnt. Anfangs konnten täglich noch 2 Maschinen der Reihe Ol 49 (entspricht unserer 23, bzw. 35) vor Reisezügen und eine Ty 2 oder 42 vor Güterzügen beobachtet werden. Eine weitere Lok stand Reserve unter Dampf. Dabei waren Loks der Reihe Ty 2 ehemalige deutsche 52er, die durch den Krieg in Polen geblieben waren, während Ty 42 in Polen gebaute 52er waren. Und irgendwo soll es noch Pt 47, Pm 36 und auch eine Ty 2 geben, die gelegentlich zum Einsatz kommen sollten. Auf jeden Fall wurden Reisezüge nach Zbaszynek, Leszno und Poznan noch mit Dampf bespannt, der Güterverkehr war aber schon stark rückläufig. Abends kam von Zbaszynek meist eine SU 44 oder 45 mit den Frachten für die Region für den nächsten Tag. Die Lok hat dann auch gleich wieder die am Tage eingesammelten Güterwagen nach Zbaszynek mit zurück mitgenommen. Aber meist waren es nur noch 10-15 Wagen. Bis 2005 waren wir insgesamt drei Mal da, jedes Mal aufs Neue beeindruckt. Ein besonderer Höhepunkt war immer die Mitfahrt auf dem Führerstand. Zwar waren es meist englische Eisenbahnfreunde, die schon viele Fahrten ausgebucht haben, aber gelegentlich klappte es doch. Meist war ja das Personal auch daran interessiert, sich ein paar Mark dazu zu verdienen. Der Lokführer hat schon am Vortag Kontakt zu uns aufgenommen, um einen Termin für den nächsten Tag zu vereinbaren. Das Ziel war mit einem Personenzug der Bahnhof Wschowa. Bei der Vorbeifahrt am Bw Wolsztyn hieß es noch kurz abducken, und dann kam das Kommando: „Du Maschinist, Du Heizer, Ihr fahren“ Na ja, an den Regler habe ich mich nicht getraut, das konnte Torsten besser, aber selbst das Heizen war ein Erlebnis, dass man nicht vergisst! 20 Mark hat man sich den Spaß schon kosten lassen.
So, genug geschwärmt. Ich fange mal aus aktuellem Anlass mit zwei Aufnahmen von einer Ty 3. Diese Lok konnten wir bei der zweiten Fahrt im Herbst 2001 beobachten. Bei unserer Ankunft wurde eine Ty 42 gerade schadhaft abgestellt. Für den nächsten Tag wurde die Ty 3 angeheizt. Wahnsinn! Eine ex-Reichsbahn 42 im Einsatz zu erleben, und das im 21. Jahrhundert! Allerdings brauchten wir einiges an Geduld. Am ersten Tag hat es die Lok nur vom Lokschuppen bis zur Bekohlung geschafft, Pumpenschaden! Frust! Wenigstens konnte die Lok unter Dampf im Bw fotografiert werden.
Für den zweiten Tag hatten wir uns eine (offizielle) Mitfahrt gebucht. Wieder gab es Anlaufschwierigkeiten. Aber die Lok wurde notdürftig fahrfähig gemacht, wahrscheinlich, weil man fahren musste. So ging es zunächst mit 7 Wagen beladen mit Tausalz aus Deutschland in Richtung Konotop zu einem etwa 5 km entfernten Anschluss, Lz zurück nach Wolsztyn. Und am Mittag dann in Richtung Osten nach Zbaszynek. Ich durfte wieder heizen. Wir hatten nur knapp 200 Tonnen am Haken, zum Glück. Ich habe es nicht geschafft, die Kohle auf der Schaufel bis an das Rostende zu befördern. Ich will damit nicht nur zum Ausdruck bringen, wie schlecht ich geheizt habe, sondern auch wie groß die Rostfläche war. Hier unser Zug nach der Ankunft im Güterbahnhof Zbaszynek.
So, ich hoffe mal, ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt. Fortsetzung folgt.
Gruß Holger
da will ich mal zum Thema Bw Wolsztyn einen neuen Thread eröffnen. Für alle, die es nicht wissen sollten, Wolsztyn ist eine Kleinstadt mit knapp 15.000 Einwohnern etwa 70 km südwestlich von Posen. Einst ein recht bedeutender Eisenbahnknoten mit eingleisigen Strecken in 5 verschiedene Richtungen und einem Bahnbetriebswerk, in dem bis zu 30 Lokomotiven beheimatet gewesen sein sollen. Mein Kumpel Torsten wollte mich schon Mitte der 90er zu einer Fahrt dahin überreden, aber mir fehlte der Antrieb. Die Polenloks mit ihren rieseigen Scheinwerfern, und überhaupt die Polen…, falsche Klischees!
Nachdem ich mir also Reiseberichte von mehrstündigem abendlichen Rangierbetrieb mit Abstoßen durch Ty 2, Ty 42 (ex BR 52) und Ty 45 anhören musste, habe ich mich Ende 1999 doch erstmals zu einer Fahrt dahin überreden lassen. Endlich, kann ich nur sagen, Atmosphäre pur, keine Diesellok im Bw, eine Reise in die Vergangenheit! Geschlafen wurde für etwa 5.- Mark die Nacht im Bw in der ehemaligen Lokführerübernachtung, Blick auf die Bekohlungsanlage und die Drehscheibe… An das ungewohnte Aussehen der Loks hat man sich rasch gewöhnt. Anfangs konnten täglich noch 2 Maschinen der Reihe Ol 49 (entspricht unserer 23, bzw. 35) vor Reisezügen und eine Ty 2 oder 42 vor Güterzügen beobachtet werden. Eine weitere Lok stand Reserve unter Dampf. Dabei waren Loks der Reihe Ty 2 ehemalige deutsche 52er, die durch den Krieg in Polen geblieben waren, während Ty 42 in Polen gebaute 52er waren. Und irgendwo soll es noch Pt 47, Pm 36 und auch eine Ty 2 geben, die gelegentlich zum Einsatz kommen sollten. Auf jeden Fall wurden Reisezüge nach Zbaszynek, Leszno und Poznan noch mit Dampf bespannt, der Güterverkehr war aber schon stark rückläufig. Abends kam von Zbaszynek meist eine SU 44 oder 45 mit den Frachten für die Region für den nächsten Tag. Die Lok hat dann auch gleich wieder die am Tage eingesammelten Güterwagen nach Zbaszynek mit zurück mitgenommen. Aber meist waren es nur noch 10-15 Wagen. Bis 2005 waren wir insgesamt drei Mal da, jedes Mal aufs Neue beeindruckt. Ein besonderer Höhepunkt war immer die Mitfahrt auf dem Führerstand. Zwar waren es meist englische Eisenbahnfreunde, die schon viele Fahrten ausgebucht haben, aber gelegentlich klappte es doch. Meist war ja das Personal auch daran interessiert, sich ein paar Mark dazu zu verdienen. Der Lokführer hat schon am Vortag Kontakt zu uns aufgenommen, um einen Termin für den nächsten Tag zu vereinbaren. Das Ziel war mit einem Personenzug der Bahnhof Wschowa. Bei der Vorbeifahrt am Bw Wolsztyn hieß es noch kurz abducken, und dann kam das Kommando: „Du Maschinist, Du Heizer, Ihr fahren“ Na ja, an den Regler habe ich mich nicht getraut, das konnte Torsten besser, aber selbst das Heizen war ein Erlebnis, dass man nicht vergisst! 20 Mark hat man sich den Spaß schon kosten lassen.
So, genug geschwärmt. Ich fange mal aus aktuellem Anlass mit zwei Aufnahmen von einer Ty 3. Diese Lok konnten wir bei der zweiten Fahrt im Herbst 2001 beobachten. Bei unserer Ankunft wurde eine Ty 42 gerade schadhaft abgestellt. Für den nächsten Tag wurde die Ty 3 angeheizt. Wahnsinn! Eine ex-Reichsbahn 42 im Einsatz zu erleben, und das im 21. Jahrhundert! Allerdings brauchten wir einiges an Geduld. Am ersten Tag hat es die Lok nur vom Lokschuppen bis zur Bekohlung geschafft, Pumpenschaden! Frust! Wenigstens konnte die Lok unter Dampf im Bw fotografiert werden.
Für den zweiten Tag hatten wir uns eine (offizielle) Mitfahrt gebucht. Wieder gab es Anlaufschwierigkeiten. Aber die Lok wurde notdürftig fahrfähig gemacht, wahrscheinlich, weil man fahren musste. So ging es zunächst mit 7 Wagen beladen mit Tausalz aus Deutschland in Richtung Konotop zu einem etwa 5 km entfernten Anschluss, Lz zurück nach Wolsztyn. Und am Mittag dann in Richtung Osten nach Zbaszynek. Ich durfte wieder heizen. Wir hatten nur knapp 200 Tonnen am Haken, zum Glück. Ich habe es nicht geschafft, die Kohle auf der Schaufel bis an das Rostende zu befördern. Ich will damit nicht nur zum Ausdruck bringen, wie schlecht ich geheizt habe, sondern auch wie groß die Rostfläche war. Hier unser Zug nach der Ankunft im Güterbahnhof Zbaszynek.
So, ich hoffe mal, ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt. Fortsetzung folgt.
Gruß Holger
Zuletzt geändert von Der Elmer am 16.03.2008 23:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Hallo Holger,
na jetzt steppt hier der Bär vollkommen. Vielen Dank für diesen hervorglänzenden Bericht. Er transportiert richtige Leidenschaft für die Eisenbahn. Ich kenne es zwar nur aus Erzählungen, kann mir aber vorstellen, wie man sich als Ungeübter mit den Heizertaten einen abstrampelt. Eisenbahn für alle Sinne.
In froher Erwartung auf die Fortsetzung
Grüße
John Henry
na jetzt steppt hier der Bär vollkommen. Vielen Dank für diesen hervorglänzenden Bericht. Er transportiert richtige Leidenschaft für die Eisenbahn. Ich kenne es zwar nur aus Erzählungen, kann mir aber vorstellen, wie man sich als Ungeübter mit den Heizertaten einen abstrampelt. Eisenbahn für alle Sinne.
In froher Erwartung auf die Fortsetzung
Grüße
John Henry
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Hallo,
hier nun eine Fortsetzung von Aufnahmen aus Wolsztyn und Umgebung. Die schon bekannte Ty 3 2 hat einen Wagen Kohle nach Konotop befördert. In Kolsko ist die etwa 25 km lange Strecke fast bewältigt. Alle Betriebsstellen zwischen Wolsztyn und Konotop sind unbesetzt, beziehungsweise aufgelöst. Der Bahnhof Konotop dürfte vor dem 1. Weltkrieg Grenzbahnhof gewesen sein. Interessant, wie (fotofreundlich) die Signale ausgekreuzt sind.
Zum Schluss noch ein erster Blick ins Bahnbetriebswerk.Die Reihe Ol 49 ist eine Nachkriegskonstruktion der Polnischen Bahn, hier ist die Ol 49 23 restauriert und wartet auf weitere Einsätze. Rechts die Ty 1 76, eine pr. G 12, die nach dem 2. Weltkrieg bei der PKP verblieben ist.
Grüße
hier nun eine Fortsetzung von Aufnahmen aus Wolsztyn und Umgebung. Die schon bekannte Ty 3 2 hat einen Wagen Kohle nach Konotop befördert. In Kolsko ist die etwa 25 km lange Strecke fast bewältigt. Alle Betriebsstellen zwischen Wolsztyn und Konotop sind unbesetzt, beziehungsweise aufgelöst. Der Bahnhof Konotop dürfte vor dem 1. Weltkrieg Grenzbahnhof gewesen sein. Interessant, wie (fotofreundlich) die Signale ausgekreuzt sind.
Zum Schluss noch ein erster Blick ins Bahnbetriebswerk.Die Reihe Ol 49 ist eine Nachkriegskonstruktion der Polnischen Bahn, hier ist die Ol 49 23 restauriert und wartet auf weitere Einsätze. Rechts die Ty 1 76, eine pr. G 12, die nach dem 2. Weltkrieg bei der PKP verblieben ist.
Grüße
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