Einwohnerversammlung
Pläne gegen die Wand gefahren
Diedorfer lehnen geplante Ortsumgehungsstraße ab / Kontroverse Diskussion
Diedorf - Bürgermeister Ralf Matthes (FDP) versuchte während der Einwohnerversammlung in Diedorf in hitziger Atmosphäre die Gemüter zu beruhigen: "Bislang ist nichts gebaut und ich versichere, dass die geplante Ortsumgehungsstraße nicht umgesetzt wird. Jedenfalls nicht so." Die geplante Trassenführung und weit umlaufende Schallschutzmauer für die neue Ortsumgehung B 285 in Diedorf wurde in unterschiedlichen Punkten heftig kritisiert und sei keine hinnehmbare Variante.
In einem Punkt jedoch sind sich die Bürger einig: Die Ortsdurchfahrt stelle durch das erhöhte Verkehrsaufkommen eine Gefahren- und Lärmquelle dar und müsse aus der Ortschaft raus. Nur wie, wo und wann sei unklar. In der von Bürgermeister Matthes einberufenen Versammlung wurden die verschiedenen Meinungen kontrovers diskutiert - wie zu den heißesten Zeiten der Diskussion um eine Diedorfer Westumgehungsstraße, nur die Himmelsrichtungen haben gewechselt.
Dass es sich bei der Ostumgehung um ein bereits laufendes Planfeststellungsverfahren handelt, genaue Trassen und Ausführungen bereits feststanden, spielte für die Gegner keine Rolle. Die verantwortlichen Experten beziehen sich auf eine 2008 unterschriebene Verwaltungsvereinbarung auf der Grundlage der derzeitigen Trassenführung, die einen Passus enthalte, der das Straßenbauamt Südwestthüringen bevollmächtigte, das Planfeststellungsverfahren zu beginnen. "Die Pläne haben dem Gemeinderat vorgelegen und die Trassenführung ist darauf auch sichtbar gewesen", so Gerold Kirchner. In dem gesetzeskonformen Rahmen seien in der Phase des Planfeststellungsverfahrens nur geringfügige Änderungen umsetzbar. "Gesetze sind kein Dogma und lassen Veränderungen zu", ist sich Ralf Matthes sicher.
Die geplante Ortsumgehung quert südlich das noch unbebaute Gewerbegebiet, führt auf die ehemalige Bahntrasse und wird östlich am Ort vorbeigeführt. Einige Meter nach dem bebauten Ortsende mündet sie wieder auf der bestehenden B 285 ein. Von der vorgesehenen Streckenführung entlang der Trasse profitieren längst nicht alle Bürger.
"Verlagerung des Problems"
Die Planung sieht für die Anwohner entlang des Ortsrandes eine 2,50 Meter hohe Lärmschutzwand wenige Meter vor den Grundstücken vor, denn die Umgehungsstraße reicht an der engsten Stelle bis zu zehn Meter an die Wohnbebauung heran. Das Landschaftsbild im Biosphärenreservat Rhön wäre nachhaltig verändert, die Ortschaft von Wanderwegen in die naturnahen Wälder abgeschnitten. "Das ist doch keine Lösung, sondern schafft lediglich eine Verlagerung des Problems. Dem einen wird die Straße genommen, dem anderen vor die Tür gesetzt", sagte ein Bürger verärgert.
Bürgermeister Matthes schlägt stattdessen vor, die Ortsumgehungsstraße hinter der ehemaligen Trasse teilweise bis zu einigen Metern tief in die Erde zu legen. Positiv an den Einschnitten sei, dass dadurch mit weniger Lärmbelastung zu rechnen wäre, da die Wände des Trassentals wie eine Schallschutzmauer funktionieren würden. Damit die Bundesstraße möglichst nicht durch das Diedorfer Gewerbegebiet verläuft, solle sie erst unmittelbar vor Fischbach wieder auf die vorhandene Bundesstraße gelegt werden.
Gerold Kirchner, Leiter des Straßenbauamtes Südwestthüringen, wies die Vorschläge vehement zurück. "Das sind völlig neue Planungsansätze, das hat mit dem jetzigen Planfeststellungsverfahren nichts zu tun. Zudem kommt die Finanzierung einer neuen Bundesstraße parallel zur vorhandenen B 285 nicht in Betracht." Änderungen seien in einem Planfeststellungsverfahren durchaus üblich, jedoch nicht in diesem Ausmaß.
"Wir wollen die Ortsumgehungsstraße so schnell wie möglich", trat Matthes etwaigen Befürchtungen entgegen, "doch wir hoffen auf substanzielle Veränderungen in der Planung." Hinzu komme die Gefahr von Hochwasserkatastrophen. Vor etwa 300 Jahren gab es in Diedorf eine Überschwemmung, bei der 18 Menschen ums Leben kamen. Weitere Hochwasser folgten 1953 und 1966 mit einem Pegelstand von bis zu 1,50 Metern. "Die Schallschutzwand wäre wie eine Staumauer und Diedorf würde im Fall einer erneuten Hochwasserkatastrophe förmlich absaufen", argumentierte ein Gegner.
Weitere zehn Jahre ...
Markus Brämer, Leiter des Landesamtes für Bau und Verkehr in Erfurt, reagierte kopfschüttelnd auf den Widerstand. "Kritik und Vorschläge hätten bereits in der Planungsphase vor zwei Jahren kommen sollen und nicht in einem laufenden Planfeststellungsverfahren." Die neue Variante des Bürgermeisters sei eine völlig neue Trassenführung und würde folglich dazu führen, dass das jetzige Verfahren eingestellt werden müsste. Warum überhaupt über die Ortsumgehung im Osten gestritten würde, fragten Diedorfer Bürger. Schließlich gebe es eine weiträumige Möglichkeit zur Ortsumfahrung im Westen, die niemanden stören würde und mit der alle Bürger einverstanden wären. Zur Variante einer Westumfahrung hielt sich der Bürgermeister jedoch bedeckt. "Dazu gibt es derzeit auch keine planungsrechtlichen Befugnisse", sagte Brämer. Zudem müsse die Umsetzung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes realisiert werden. Dabei werde jedes Vorhaben nach Dringlichkeit eingestuft und bearbeitet. Ob Diedorf berücksichtigt werden würde, sei ungewiss. Sollten die derzeitig vorliegenden Pläne keine Berücksichtigung mehr finden, wäre folglich ein neues Verfahren anzustreben. "Das hätte einen weiteren Planungsaufwand von zehn Jahren zur Folge", so Brämer.
Ob in den kommenden Jahren über die Verlegung der Ortsdurchfahrt entschieden werden kann, erscheint nun mehr als fraglich. Ziel des Bürgermeisters sei es jedoch, für alle eine vernünftige Lösung zu finden, daher wolle sich eine zehnköpfige Delegation in den kommenden Wochen mit den Mitarbeitern des Straßenbauamtes zusammensetzen und über das weitere Vorgehen beraten. lö
Quelle: stz-online